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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 23.11.2001
Aktenzeichen: 15 WF 170/01
Rechtsgebiete: KostO, BGB


Vorschriften:

KostO § 2 Nr. 2
BGB § 1632 Abs. 4
Beantragen Pflegeeltern eine Verbleibensanordnung des Kindes gemäß § 1632 Absatz 4 BGB, so haften sie regelmäßig nicht für die gerichtlichen Auslagen des Verfahrens.
15 WF 170/01

Beschluss

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Segeberg vom 18. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und am 23. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 18. Juni 2001 und der Kostenansatz vom 14. September 2000 werden abgeändert.

Gegen die Beschwerdeführerin werden keine gerichtlichen Auslagen festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist die Pflegemutter des 1993 geborenen . Seit dem 18.06.1995 befindet sich das Kind bei der Beschwerdeführerin. Durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts vom 19.12.1997 war der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht für entzogen worden. Das Bezirksjugendamt wurde zum Pfleger für das Kind bestellt.

Durch Beschluss vom 2. März 1998 übernahm das Amtsgericht die Pflegschaft, entließ das Bezirksamt als Pfleger und übertrug die Pflegschaft auf das Kreisjugendamt.

Vom Kreisjugendamt wurde das Pflegekind am 10.09.1998 aus der Pflegefamilie der Beschwerdeführerin herausgenommen und in eine Kleineinrichtung verbracht.

Die Beschwerdeführerin hat am 11.09.1998 den Erlass einer Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB beantragt. Im Verlauf dieses Verfahrens ist ein Gutachten der Dipl.-Psych. (Bl. 122 - 143 d.A.) dazu eingeholt, ob durch die Wegnahme des Kindes von der Beschwerdeführerin das Kindeswohl zur Zeit oder auf Dauer gefährdet würde oder ob das Wohl des Kindes den weiteren Verbleib in der Familie erfordere. In der Verhandlung vom 09.07.1999 (Bl. 181 d.A.) erklärten die Beteiligten den Antrag auf Verbleibensanordnung in der Hauptsache für erledigt. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat mit Beschluss vom 07.09.1999 (Bl. 187 f. d.A.) der Beschwerdeführerin teilweise Befugnisse der elterlichen Sorge für das Pflegekind übertragen. Zur Kostenfrage hat das Gericht in dem Beschluss ausgeführt, dass von der Erhebung der Gerichtsgebühren abgesehen werde und außergerichtliche Auslagen nicht erstattet werden.

Mit der angegriffenen Gerichtskostenrechnung vom 14.09.2000 sind der Beschwerdeführerin insgesamt 3.750,09 DM Sachverständigenauslagen in Rechnung gestellt worden, die sich aus den Abrechnungen der Sachverständigen ergeben (Bl. 158, 159 d.A.).

Die Beschwerdeführerin hat gegen die Kostenrechnung am 23.03.2001 Erinnerung eingelegt mit der Begründung, sie sei nicht Kostenschuldnerin. Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Bl. 209 d.A.). Die Bezirksrevisorin hat unter dem 04.05.2001 eine Stellungnahme dahingehend abgegeben, dass sie davon ausgehe, dass die Beschwerdeführerin Kostenschuldnerin gemäß § 2 Ziffer 2 KostO sei (Bl. 211 d.A.). Das Amtsgericht - Familiengericht - hat mit Beschluss vom 18.06.2001 (Bl. 224 ff. d.A.) die Erinnerung gegen den Kostenansatz zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vom 24.07.2001. Sie macht geltend, sie sei nicht Interessenschuldnerin im Sinne von § 2 Nr. 2 KostO, weil es bei einem Verfahren um den Erlass einer Verbleibensanordnung ausschließlich um die Interessen des Pflegekindes gehe. Sofern mittelbar ihre Interessen berührt seien, würde eine Kostenschuld nicht erwachsen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25.07.2001 (Bl. 233 d.A.) der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 14 Abs. 3 KostO zulässig und in der Sache begründet.

Die Kostenentscheidung im Beschluss vom 07.09.1999, wonach von der Erhebung der Gerichtsgebühren abgesehen wird, bezieht sich gemäß § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO nur auf die Verfahrensgebühr. Die Vorschrift enthält für das Gericht einen Entscheidungsspielraum, wer als Kostenschuldner zu bestimmen ist. Die gerichtlichen Auslagen werden von dieser Entscheidung des Gerichts nicht beeinflusst (OLG München Rechtspfleger 1992, 297 m.w.N.). Gemäß § 137 Nr. 6 KostO zählen die Kosten für die Begutachtung durch einen Sachverständigen zu den Auslagen des Verfahrens.

Eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin ist nach Ansicht des Senates nicht begründet.

Sie haftet nicht gemäß § 2 Nr. 1 KostO, weil das Verfahren gemäß § 1632 Abs. 4 BGB nicht "nur auf Antrag" der Pflegeperson, sondern auch von Amts wegen bei entsprechender Veranlassung durchzuführen ist.

Eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin gemäß § 2 Nr. 2 KostO ist aber ebenfalls nicht begründet. Soweit die Bezirksrevisorin und das Amtsgericht - Familiengericht - der Rechtsprechung des BayObLG (FamRZ 1998, 37) folgend die Kostenlast seitens der Beschwerdeführerin annehmen, folgt der Senat dieser Rechtsprechung nicht.

Nach § 2 Nr. 2 KostO ist bei Geschäften, die von Amts wegen vorgenommen werden, derjenige Kostenschuldner, dessen Interesse wahrgenommen wird. Damit ist Kostenschuldner derjenige, der im Verbleibeverfahren nach § 1632 Abs. 4 BGB Interessent ist. Liegt ein Geschäft ausschließlich im öffentlichen Interesse, so ist ein Zahlungspflichtiger nicht gegeben. Ist neben dem öffentlichen Interesse ein Geschäft auch gleichzeitig im Interesse einer bestimmten Person vorgenommen worden, so ist diese Person Kostenschuldner. Maßgeblich ist dabei aber, in wessen rechtlichem Interesse der Gesetzgeber dem Gericht die Verpflichtung auferlegt hat, von Amts wegen oder auf Antrag tätig zu werden. Die Beurteilung, ob mit dem Antrag von Pflegeeltern auf Verbleiben des Pflegekindes gemäß § 1632 Abs. 4 BGB die Pflegeeltern Interessenschuldner sind oder nicht, ist in der Rechtsprechung umstritten (so BayObLG Rechtspfleger 97, 322, FamRZ 1998, 37; anderer Ansicht OLG Hamm FamRZ 1995, 1365 ff., OLG Hamm FamRZ 96, 1558, entsprechend bei Antrag des Vaters auf elterliche Sorge OLG Zweibrücken, JurBüro 1985, 264 f., OLG Frankfurt JurBüro 1988, 502).

Die Ansicht, wonach das Interesse der Pflegeeltern durch die Antragsbefugnis und einen entsprechenden Antrag gemäß § 1632 Abs. 4 BGB seitens der Pflegeeltern am deutlichsten zum Ausdruck komme, wodurch sich die Interessenschuldnerschaft begründe (BayObLG a.a.O., Hartmann Kostengesetze, 28. Aufl. § 2 KostO Rdnr. 27 "Kindesherausgabe"), berücksichtigt nicht, dass mit der Schaffung des Antragsrechts der Pflegeeltern nicht die Wahrung der Interessen der Pflegeeltern, sondern der des Kindes verstärkt werden sollte (vgl. BT-Drucksache 8/2788 und 13/4899). Die Position der Pflegeeltern kann zwar in den Bereich des Art. 6 Abs. 1 GG reichen ( vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1985, 423 f.), doch begründet die Antragstellung von Pflegeeltern, das Kind solle bei ihnen verbleiben, eine Anregung an das Familiengericht, zu prüfen, ob es dem Wohl des Kindes entspricht, es in der Pflegefamilie zu belassen oder herauszunehmen. Mit ihrer Antragstellung hat die Beschwerdeführerin zwar zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem Pflegekind hängt und es gerne bei sich belassen möchte, schon aus der Antragstellung ergibt sich aber, dass auch die Beschwerdeführerin ihren Antrag allein am Kindeswohl orientiert, indem auf die psychischen Schäden beim Pflegekind dadurch hingewiesen wird, die es durch die Herausnahme ohne weitere Vorbereitung aus dem seit 3 Jahren gewohnten Umfeld erleide. Eine materielle Betroffenheit mag seitens der Beschwerdeführerin bei der Herausnahme des Pflegekindes gegeben sein. Das Verfahren, in deren Verlauf die kinderpsychologische Begutachtung erfolgt ist, diente ausschließlich der Feststellung, ob es den Interessen des Pflegekindes entspricht, bei der Pflegemutter zu verbleiben oder ob es besser an anderer Stelle aufgehoben ist. Interessen der Beschwerdeführerin sind dabei in die Entscheidungsfindung nicht mit einbezogen worden. Das Verfahren diente damit nicht der Interessenwahrung der Beschwerdeführerin. Die Anwendung von § 2 Nr. 2 KostO setzt aber voraus, dass die Interessen eines Beteiligten durch das von Amts wegen vorzunehmende Geschäft selbst, hier also durch die in der Hauptsache zu treffende Entscheidung über den Verbleib des Pflegekindes, wahrgenommen werden. Die hier getroffene Entscheidung beruht demgegenüber allein auf der kinderpsychologischen Beurteilung, ob durch die Pflegezeit und die Situation in der Pflegefamilie das Kind seine Bezugswelt dort gefunden hat und die Herausnahme aus ihr zu diesem Zeitpunkt die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden mit sich brächte (vgl. Diederichsen in Palandt, 60. Aufl., § 1632 Rdnr. 20 ff.). Gegenstand des Prüfungsverfahrens selbst ist also nicht die Interessenwahrnehmung der Pflegeeltern (vgl. OLG Frankfurt JurBüro 1988, 501). Nach alledem war die Kostenrechnung und der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - auf die Beschwerde hin dahin abzuändern, daß Auslagen nicht zur Erstattung gegen die Beschwerdeführerin festgesetzt werden.

Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 14 Abs. 5 KostO.

Ende der Entscheidung

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